Uta Rüchel hat im Auftrag der Bundesstiftung Aufarbeitung ein Gutachten erstellt, das einen guten Überblick über die vielen offenen Fragen der mosambikanischen Vertragsarbeiter*innen in der DDR gibt.
Abstract
Die offenen Fragen in Bezug auf die ehemaligen mosambikanischen Vertragsarbeiter:innen bedürfen dringend einer Lösung. Inzwischen sind mehr als dreißig Jahre seit der deutschen Vereinigung vergangen. In verschiedenen Bereichen ist eine Aufarbeitung des Unrechts, das Menschen durch die SED-Politik erfahren haben, aktiv befördert worden. Eine Gruppe ist dabei bisher nicht im Blick: die sogenannten Vertragsarbeiter:innen, insbesondere die Arbeiter:innen aus Mosambik. Die DDR hatte mit mehreren Staaten Regierungsabkommen geschlossen. Aufgrund der Verträge von 1979 mit Mosambik arbeiteten ca. 17.000 zumeist junge Frauen und Männer bis Ende 1989 für minimal vier Jahre in der DDR. Sie leisteten einen erheblichen Beitrag für das Bruttosozialprodukt, zur Reduzierung des Arbeitskräftemangels in der DDR und zur Tilgung von Krediten Mosambiks gegenüber der DDR. Die den Vertragsarbeiter:innen zugesagten Ausbildungen gingen immer stärker zurück und wurden schließlich fast völlig aufgegeben.
Nach der Maueröffnung gingen viele Betriebe Konkurs oder mussten massive Entlassungen vornehmen. Daraufhin wurden die völkerrechtsverbindlichen Verträge geändert, um Kündigungen zu ermöglichen und die Arbeitskräfte vor willkürlichen Abschiebungen zu schützen, was häufig nicht gelang. Die Mehrzahl der Mosambikaner:innen kehrte zurück, viele von ihnen erhielten nicht einmal die ausgehandelten Entschädigungen. Nur wenige wagten es, von ihrem Recht, in Deutschland zu bleiben, Gebrauch zu machen. Gerade Mosambikaner:innen und Angolaner:innen waren nach dem Fall der Mauer verstärkt diskriminierendem Verhalten und rassistischen Angriffen aus der Bevölkerung ausgesetzt, was ihre Entscheidung wesentlich beeinflusst haben dürfte.
Für die mosambikanischen Arbeiter:innen stellte sich nach 1990 heraus, dass sie von beiden Regierungen bewusst getäuscht worden sind. Während ihres Einsatzes in der DDR sollte ein variierender Teil ihres Nettolohnes als „Transferleistungen“ nach Mosambik überwiesen und ihnen bei der Heimkehr in einheimischer Währung ausgezahlt werden. So sahen es die Verträge vor. Ihre Rentenansprüche sollten in ein mosambikanisches Rentensystem überführt werden. Nur ein kleiner Teil der Arbeiter:innen hat diese Transferleistungen tatsächlich ausgezahlt bekommen, die große Mehrheit nicht. Transparenz konnte bisher von mosambikanischer wie von deutscher Seite nicht hergestellt werden.
Noch heute, 30 Jahre nach ihrer vorzeitigen und zum Teil erzwungenen Rückkehr, demonstrieren „Madgermanes“ – eine Bezeichnung die auf ihren Aufenthalt in Deutschland verweist – Woche für Woche in Mosambik, um ihr Recht auf die noch ausstehenden Zahlungen und eine Anerkennung ihrer ausstehenden Ansprüche öffentlich einzufordern.
Die ehemaligen Vertragsarbeiter:innen leiden bis heute unter SED-Unrecht aus Zeiten der DDR, mosambikanischer Korruption und Fehlern der deutschen Einheit. Es ist höchste Zeit, dieses Unrecht anzuerkennen, zu bereinigen und nach Lösungen zu suchen, um die bestehenden Regelungslücken zu schließen. Die Zeit drängt, da viele der ehemaligen Vertragsarbeiter:innen bereits in höherem Alter sind und nach wie vor in prekären Verhältnissen – auch nach mosambikanischen Maßstäben – leben.
Das gesamte Gutachen als pdf download.